Wenn im Zuge der NSU-Untersuchungsausschüsse nach und nach mehr ans Tageslicht kommt, wie unbehelligt die Rechtsterroristen über Jahre hinweg morden konnten, stellt sich u.a. die Frage nach der Sinnhaftigkeit von V-Leuten. Dabei gab es zahlreiche Hinweise auf das Wirken des „Terror-Trios“, denn im Vergleich zu anderen Extremisten zeigte sich die militante rechte Szene in der Vergangenheit durchaus redselig und zur finanziell entlohnten Mitarbeit mit staatlichen Organen nicht grundsätzlich abgeneigt.
Links-Autonome sind da schon zurückhaltender und deswegen sind die Erkenntnisse (nicht nur) des Verfassungsschutzes über diese Szene rar. Ebenso gibt es kaum andere wissenschaftlich verlässliche Daten und Fakten, die Einblicke in diese konspirative Jugendkultur, der auch Sympathisanten jenseits der 30 angehören, gewähren können. Das holt Klaus Farin, Gründer des Archivs der Jugendkulturen, mit seinem neusten Werk „Die Autonomen“ auf unterhaltsame und dennoch lehrreiche Art und Weise nach.
Zu Beginn gibt es ein paar Seiten theoretische Erkenntnisse über die nicht festgeschriebene „Ideologie“, die viele Autonomen einen bzw. bereits entzweien. Diese Divergenz wird durch die anschließenden Interviews mit Anhängern der Szene größtenteils bestätigt. So lehnen beispielsweise einige Autonome Gewalt als politische Argumentationshilfe kategorisch ab, während andere sie zum Erreichen ihrer Ziele legitimieren. Ebenso wird deutlich, dass die Szene nicht an Musikgenres, Styling-oder Kleidungscodes gebunden ist, sondern Szene übergreifend Anhänger hat. Gemeinsam eint sie vor allem die Wut und der Hass auf die Mehrheitsgesellschaft, die sich mit kapitalistischen System arrangiert und/oder ihm zum großen Teil sogar zuarbeitet.
Anschließend folgt die aus meiner Sicht leider nur mäßig interessante Medienanalyse der Autonomen-Zeitschrift „Radikal“, welche in früheren Dekaden das Szene-Medium schlechthin war, mittlerweile aber nur noch eines von vielen Organen ist. Gerade in Zeiten des Internets, sozialer Netzwerke etc. und ihren Möglichkeiten erscheint „Radikal“ als Überbleibsel vergangener Tage.
Richtig interessant wird es dann am Ende des Buches, wenn Experten (darunter u.a. der Soziologe Dr. Albert Scherr und der Extremismusforscher Uwe Backes) der autonomen Szene in Interviews zu Wort kommen und sich über deren Zukunft äußern. Die Mehrheit der Befragten bezweifelt, dass es den Extremisten mittelfristig gelingt, mehr Anhänger jenseits der deutschen Großstädte zu rekrutieren. Insgesamt verlören sie an Bedeutung, daran änderten auch die Wahlerfolge von Rechtsextremisten oder die Schließung freier Jugendzentren, die die Szene kurzfristig stärkten, nichts.
Die Autonomen seien daher allenfalls als ein gesellschaftliches „Randphänomen“ zu bezeichnen, ohne Aussicht, die Mehrheitsgesellschaft in ihren Grundfesten zu erschüttern.
Buch-Review von Sven
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