Max Lill: the whole wide world is watchin’,
Musik und Jugendprotest in den 1960er Jahren – Bob Dylan und The Grateful Dead
346 Seiten, 35 Abb.
16,5 x 26,5 cm, Hardcover
ISBN 978-3-943774-33-7
erscheint voraussichtlich am 15. November 2013
Subskriptionspreis 20 € bis zum 15. November, danach 28 €
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Dieses Buch blickt aus der Perspektive eines Nachgeborenen auf die Jugendrevolte der 1960er Jahre: auf das Folk Revival und die Gegenkultur der Hippies, auf Bob Dylan und The Grateful Dead, auf junge Menschen, die nichts weiter sein wollten als Künstler und die doch in den Mittelpunkt einer gesellschaftlichen Umwälzung rückten. In einem weiten historischen Bogen, ausgehend von der europäischen Klassik, über den Folk der US-Arbeiterbewegung, die frühen Formen der Populärkultur und des Rhythm and Blues, spürt der Autor der Frage nach, wie eine bestimmte Musik zum symbolischen Kristallisationspunkt der „großen Weigerung“ (Marcuse) werden könnte.
Die Geschichte der jugendlichen Gegenkulturen wird als offener Prozess erzählt, als Teil einer epochalen Weichenstellung in der Entwicklung des Kapitalismus. Über historische und sozialtheoretische Reflexionen, biographische Erzählungen, Musik- und Textanalysen wird eine vielschichtige Deutung des Geschehens entwickelt. In deren Zentrum stehen Versuche, die institutionelle Trennung von Politik, Arbeit und Lebenswelt aufzubrechen, ein „ganzes Leben“ einzufordern, selbstbestimmt und bedürfnisreich – und frei von Geschlechterhierarchien, Klassenherrschaft und Rassismus. Die Jugendbewegungen erscheinen somit nicht als romantischer Rückfall oder Stoßtrupp der Modernisierung. Der sympathisierende Blick richtet sich auf ihre Emanzipationsansprüche – genauso wie auf ihre tragischen Irrtümer und ihre wahnhafte Zerrissenheit.
Pressetext
Ein halbes Jahrhundert ist vergangen und noch immer sind die rebellischen Jugendkulturen der 1960er Jahre Gegenstand leidenschaftlicher Debatten. So widersprüchlich und umkämpft ihr Erbe ist, eines scheint unstrittig: Musik wirkte (schon lange vor 1968) als Brandbeschleuniger der Proteste – und dies in einem Ausmaß, wie es für die modernen westlichen Gesellschaften historisch einmalig sein dürfte. Ihre subversive Kraft durchdrang Körper und Psyche, forderte den Intellekt und brachte das Intimste zu öffentlicher Bedeutsamkeit. Das Private wurde politisch. Der Sog der Rhythmen und die Sprache der Populärkulturen sprengten das enge Gehäuse der tradierten bürgerlichen Kultur und der in ihr herrschenden „weißen“ Männlichkeitsnormen. Radikale Bedürfnisse nach Autonomie und Partizipation, die auf dem Boden der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaften gewachsenen waren, begehrten gegen den Konformismus der Nachkriegsära auf – mit ambivalenten Folgen.
Dieses Buch blickt aus der Perspektive eines Nachgeborenen zurück: auf das Folk Revival und die Gegenkultur der Hippies, auf Bob Dylan und The Grateful Dead, auf junge Menschen, die nichts weiter sein wollten als Künstler und die doch in den Mittelpunkt einer gesellschaftlichen Umwälzung rückten. In einem weiten historischen Bogen, ausgehend von der europäischen Klassik, über den Folk der US-Arbeiterbewegung, die frühen Formen der Populärkultur und des Rhythm and Blues, spürt der Autor der Frage nach, wie eine bestimmte Musik zum symbolischen Kristallisationspunkt der „großen Weigerung“ (Marcuse) werden konnte.
Max Lill führt uns an die Ausgangspunkte der Jugendrevolte in den USA, ins New Yorker Greenwich Village, nach San Francisco und Berkeley, auf öffentliche Plätze und in Kellerlokale: Jene Orte, an denen eine junge Avantgarde im Folk einen musikalischen Kosmos aus fast vergessenen Geschichten entdeckte, ein vertontes Gedächtnis der Arbeiterbewegung. Zwischen Kaffeehäusern und Baumwollfeldern begegnen wir den singenden Aktivistinnen und Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung und den alternden Legenden des Blues. In den viktorianischen Villen von Haight Ashbury erkunden wir mit den Grateful Dead gemeinschaftliche Rauscherfahrungen und die entfesselte Sinnlichkeit des Psychedelic Rock.
Im Fluchtpunkt der historischen Traditionslinien und Kämpfe begegnen wir schließlich den Lebens- und Liebesgeschichten eines schattenhaften Künstlers, der vieles war und sein wollte, nur kein Sprecher einer Bewegung oder Generation – und der dennoch als geradezu prophetische Erscheinung wahrgenommen wurde. In den Liedern des frühen Bob Dylan lauschen wir der beklemmenden Stille vor dem Sturm. Auf den Spuren seiner surrealistischen Poesie steigen wir hinab in die Untiefen eines im Aufruhr befindlichen kollektiven Unterbewusstseins. Wir fragen nach den Ursachen für die heftigen Konflikte um seinen Übergang zur Rockmusik und seine Flucht aus der Öffentlichkeit. Und wir zeichnen die Konturen und Widersprüche der Utopie nach, die sich in seiner Figur verdichtete: Der Sehnsucht nach einer Überwindung aller Grenzen der Selbsterfahrung und Empathie in einer „authentischen“ Form von Öffentlichkeit jenseits fester Identitätszuschreibungen.
Die Geschichte der jugendlichen Gegenkulturen wird als offener Prozess erzählt, als Teil einer epochalen Weichenstellung in der Entwicklung des Kapitalismus. Über historische und sozialtheoretische Reflexionen, biographische Erzählungen, Musik- und Textanalysen wird eine vielschichtige Deutung des Geschehens entwickelt. In deren Zentrum stehen Versuche, die institutionelle Trennung von Politik, Arbeit und Lebenswelt aufzubrechen, ein „ganzes Leben“ einzufordern, selbstbestimmt und bedürfnisreich – und frei von Geschlechterhierarchien, Klassenherrschaft und Rassismus. Die Jugendbewegungen erscheinen somit nicht als romantischer Rückfall oder Stoßtrupp der Modernisierung. Der sympathisierende Blick richtet sich auf ihre Emanzipationsansprüche – genauso wie auf ihre tragischen Irrtümer und ihre wahnhafte Zerrissenheit.
Geschichtspolitisch wird diese Erinnerungsarbeit heute wieder bedeutsam. Die große Transformationskrise unserer Zeit wird von Massenprotesten begleitet, in denen junge Menschen den Ton angeben. Das Selbstverwirklichungsversprechen, mit dem der flexibilisierte Kapitalismus auf die Revolten der 1960er und 1970er Jahre reagierte, endet für Millionen von ihnen in Verschuldung und Prekarität. Rassismus, Klassenverhältnisse und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern stehen wieder verstärkt auf der Tagesordnung. Und die kommerzialisierten Traumwelten? Sie sind größtenteils unerträglich steril und langweilig geworden. In vielen Musikkulturen herrscht daher vor allem eines: Nostalgie. Vielleicht ist das gut so: Denn wie jede Generation muss auch diese sich ihr Erbe neu aneignen, um die lange geschwächte Tradition der Künstlerkritik wieder zu beleben.
Autoreninfo:
Max Lill, geb. 1981, arbeitet als Soziologe an der Humboldt Universität Berlin und im Umfeld der Rosa Luxemburg Stiftung. Wenn er nicht gerade über Jugendkultur und Geschichtspolitik schreibt, forscht er zum Wandel von Arbeits- und Geschlechterverhältnissen, zur Krise des (Finanzmarkt-)Kapitalismus und zur Entwicklung rechtspopulistischer Einstellungen.
Kontakt zum Autor: max.lill@reflect-online.org