Aber was heißt „engagiert“?
In Büchern
Hirnkost macht Bücher über Jugend- und Subkulturen, über Flucht und Migration, über Musik und Kunst, über gesellschaftspolitische Themen und solche, über die viele lieber nicht schreiben. Es sind Bücher, in denen nicht nur über Menschen gesprochen wird, sondern die vor allem Menschen selbst zu Wort kommen lassen. In unserem Verlagsprogramm finden sich erzählende Sachbücher und Bildbände ebenso wie Romane, Anthologien, Lyrik- und Satirebände. Warum das engagiert ist? Weil wir Bücher drucken, von denen wir glauben, dass sie gelesen werden sollten, dass sie die Buchlandschaft bereichern, unabhängig von Markttrends.
Bücher sind heute nur noch ein Medium unter vielen in einer vorwiegend visuell geprägten Welt. Die Zeiten, in denen „wichtige“ Bücher auch in 8pt-Schrift, eng gesetzt und jeder freie Millimeter genutzt, daherkommen und trotzdem Leser:innen gewinnen können, sind vorbei. Bücher müssen auch visuell überzeugen, auf den ersten Blick zum Hineinsehen und Lesen motivieren. Auch die Ausstattung unserer Bücher ist also engagiert: Wir wollen SCHÖNE BÜCHER produzieren, erst recht bei schwierigen Themen. All unsere Bücher kommen daher als gebundenes Buch mit Leseband und in (mindestens) zweifarbigem Druck (Ausnahmen wie DAS SCIENCE FICTION JAHR, das als Klappenbroschur erscheint, bestätigen natürlich die Regel). Für jedes einzelne Buch versuchen wir, das optimale Format zu finden: So sind viele unserer (erzählenden) Sachbücher quadratisch, die Lyrik- und Satirebände kommen im handlichen Kleinformat, Bildbände recht großformatig und Romane kommen in einem Standardformat. Wo es passt, enthalten unsere Bücher zudem Abbildungen und Zeitdokumente als Ergänzung der Texte.
Aus unserer Sicht sollen Bücher nicht nur Lesestoff sein, sondern ein Objekt, das gern in die Hand genommen und durchgeblättert wird, das gut in der Hand liegt und durch eine individuelle Gestaltung besticht.
In der Produktion
Als Verlag ist wohl das Naheliegendste, dass wir versuchen, so klimaneutral wie möglich zu drucken: Wir suchen nach Druckereien, die Nachhaltigkeit und Klimaneutralität so umsetzen, wie wir es uns wünschen. So werden in unseren Büchern ausschließlich FSC-zertifizierte Papiere verwendet. Dass wir darauf verzichten, unsere Bücher einzuschweißen, versteht sich von selbst.
Im Arbeitsalltag
Auch im Arbeitsalltag ist es uns wichtig, unseren CO2-Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Aus diesem Grund haben wir uns auch den Entrepreneurs 4 Future angeschlossen: In unserem kleinen Team von vier Mitarbeiter:innen freuen wir uns über eine gute Work-Life-Balance durch eine 30-Stunden-Woche, flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zum Homeoffice. Das möglichst papierlose Arbeiten hat sich der Verlag längst angewöhnt. Das Büro selbst, im Herzen Neuköllns, teilen wir mit anderen – Vereinen wie Gangway e. V., dem Vertrieb für diverse Kinderbücher tebalou und einigen Postgrads. Damit all unsere Computer und die Kaffeemaschine laufen können, werden wir natürlich mit Ökostrom versorgt.
Autor:innenrechte
Ein Verlag lebt von seinen Autor:innen. Diese allerdings können selten von ihrer schriftstellerischen Arbeit leben. Zwei von drei Autor:innen in Deutschland leben in prekären Verhältnissen, müssen sich mit anderen Jobs über Wasser halten, um ihren eigentlichen Beruf ausüben zu können. Unser (ehrenamtlicher) Verlagsleiter Klaus Farin ist selbst seit mehr als vierzig Jahren Mitglied im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS). Deshalb engagiert sich Hirnkost auch politisch für eine strukturelle Förderung der Independent-Verlage, des inhabergeführten Buchhandels und der eigentlichen Urheber:innen der Werke, der Autor:innen. Ab Herbst 2022 gehen wir mit kleinem Beispiel voran: Bei allen neuen Autor:innenverträgen erhöht Hirnkost den bisher branchenüblichen Honoraranteil von 10 Prozent des Nettoladenpreises auf 12 Prozent. Wir sehen keinen Grund, warum nicht viele Verlage unserem Beispiel folgen sollten! Denn die zusätzlichen Kosten können die Verlage selbstverständlich auf den Ladenpreis des Buches anrechnen. So werden neue Hirnkost-Bücher ab 2023 durchschnittlich 1,50 bis 2,00 Euro mehr im Handel kosten als nach bisheriger Berechnung. Wir sind davon überzeugt, dass dies nicht aus unseren Leser:innen Nicht-Leser:innen macht.
Zur Verlagsgeschichte
Der Hirnkost Verlag, der bis 2015 noch unter dem Namen Archiv der Jugendkulturen Verlag KG firmierte, entstand 2003 auf Beschluss der Mitgliederversammlung des Berliner Archiv der Jugendkulturen e. V., um die Erkenntnisse dieser einmaligen Institution zu publizieren und allgemein Wissen über Jugendkulturen und jugendliche Lebenswelten zu verbreiten. Er wird bis heute vom Archiv-Initiator und langjährigen Vorsitzenden als Geschäftsführer ehrenamtlich geleitet und ist im Besitz der Gründungsmitglieder, der ebenfalls vom Archiv der Jugendkulturen gegründeten Stiftung Respekt! sowie von Autor:innen des Verlages. 2010 erhielt Verlagsleiter Klaus Farin den Kulturpreis der Kulturpolitischen Gesellschaft, 2020 gemeinsam mit Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz den Kurd-Laßwitz-Sonderpreis für die Rettung des Science Fiction Jahrbuchs. 2021 und 2022 wurde Hirnkost mit dem Deutscher Verlagspreis ausgezeichnet.
Bis heute sind mehr als 140 Bücher erschienen, von denen ein Großteil auch als E-Books vorliegen, sowie mehrere Hörbücher und Hörspiele. Derzeit hat der Verlag vier angestellte Mitarbeiter:innen. Außerdem arbeiten für Hirnkost – neben dem ehrenamtlichen Geschäftsführer – drei freie Layouterinnen, die rund neunzig Prozent der Hirnkost-Buchtitel gestalten, ein Korrektor, eine Aushilfskraft in Lager & Vertrieb sowie weitere Übersetzer:innen, Lektor:innen, Herausgeber:innen (etwa: DAS SCIENCE FICTION JAHR, EXODUS-Anthologien) und natürlich unsere Autor:innen – insgesamt seit Bestehen des Verlages schon rund 300.
Der Hirnkost Verlag ist nicht kommerziell orientiert. Eventuelle Überschüsse werden wieder in den Verlag investiert – vor allem zur Finanzierung künftiger Bücher. Denn wir haben keinen Sponsor, keine regelmäßige Förderung. Wir existieren nur solange, wie unsere Leser:innen unsere Arbeit zu schätzen wissen und unsere Bücher neue Leser:innen finden.
Engagierte Verlage brauchen engagierte Leser:innen.