Jugendliche leben in einer Umbruchphase. Das Risiko in der Jugend zu scheitern ist hoch, während einer sozialen und vor allem globalen Veränderungsphase, entlang der Bruchkante zwischen Altem, dass nicht weichen will und Neuem, das sich erst entwickeln muss, ist es noch höher als sonst. Sie sind ohne politische Illusionen, machen präkere Praktikas, gehören zu den großen Verlierern der Krise, oder sind einfach nur LebenskünstlerInnen, die sich selbst ständig neu erfinden.
Egal ob coole Lifestyle Kids, hippe Technik-Freaks oder desillusionierte Systemversager, sie alle entwickeln ihren individuellen Lebensstil, auch wenn sie nach außen planlos wirken. Charakteristisch für die „heutige“ Jugend ist die Vielfalt ihrer Lebensentwürfe, wie sie widersprüchlich, von dynamisch bis inaktiv, ihre persönlichen Eigenheiten ausleben. Die Gegenwart ist ihnen wichtig, denn die Zukunft ist viel zu ungewiss und weit weg. Sie wollen Spaß haben, ziehen sich ins Private zurück und schotten sich ab von der Welt der Erwachsenen. „Die Jugend“ ist schwer zu greifen, denn zwischen den Generationen gibt es so gut wie keinen Kontakt, das erspart aber auch jeden Konflikt.
Unverständnis und Beschwerden über die heutige Jugend findet man schon bei den Griechen. Mit Kinder der Krise bietet Grossegger einen Einblick in die unterschiedlichen Jugendkulturszenen, sowohl theoretisch als auch praktisch. Sie analysiert fundiert die ökonomischen Rahmenbedingungen und die negativen Auswirkungen von Freiheit, Leistung und Selbstverwirklichung. Die Jugendzeit verlängert sich, das Nesthocken liegt im Trend, der Übergang in den Arbeitsmarkt wird immer schwerer. Gute Bildung bietet keinen Garant mehr für einen sicheren Job, aber was passiert mit den neets „not in employment, education or training“? Rund 10 Prozent der Jugendlichen leben am Rand der Gesellschaft ohne Perspektiven, in Armut und von sozialer Ausgrenzung betroffen. Wie geht es den Betroffenen? Grossegger lässt sie selbst Stellung nehmen an Hand von persönlichen Statements aus Interviews.
Junge Menschen begegnen Politikern und ihren Versprechungen mit großer Skepsis. Politik ist für sie uninteressant, das sind alte Männer, die keine Mitbestimmung zulassen und von jugendrelevanten Themen keine Ahnung haben. Jugendliche engagieren sich außerhalb von Parteipolitik, sie mobilisieren sich in lokalen wie internationalen Protestaktionen oder organisieren eigenständig individuelle Wohltätigkeit, wie der „hängende Kaffee“, man bezahlt einen zweiten Kaffee für eine mittellose Person. Fragen der Gerechtigkeit beschäftigen junge Menschen, doch es wird nicht nach Ursachen gesucht, die allgemeine Entsolidarisierung überträgt sich auch auf die Jugend. Sie leben nach dem Prinzip “You can get it if you really want“ ohne soziale Barrieren oder gläserne Decken zu hinterfragen.
Grossegger bietet einen guten Überblick über die Entwicklung der Jugendforschung von den 80er Jahren bis heute. Wie sich „die Jugend“ in unterschiedliche Jugendszenen immer mehr zurückzog, sich von der Außenwelt abgeschottet und mit der Zeit stark ausdifferenziert hat. Ob Computer, Fitness, Musik: Rock, Metall, Pop, HipHop, Techno,… für jeden ist etwas dabei. Die Szenen bieten klare Abgrenzung, einen Rückzug in eine eigene Welt, mit eigener Sprache, Kleidung, Musik, Ideologie,… Die Regeln sind streng, werden erlernt durch beobachten und mitmachen. Manche Szenen sind mit einander kompatibel (Skater und Snowboarder, HipHop und Parkour Szene) andere können gar nicht miteinander (Fitness und Computer). Egal ob für Fitness-, Sport-, Musik- oder Öko-Freaks, die Wirtschaft hat für jede Szene die richtige Marke. Der Übergang vom Kind zum Jugendlichen zeigt sich heute über das entwickelte Markenbewusstsein. Kinder der Krise beschreibt nicht nur wie die Jugend tickt, sondern bietet auch einen kritischen Einblick in unsere Gesellschaft, die diese Jugend ermöglicht hat.
Rezensiert von Sonja Brauner, wienXtra-Fachbereichsleiterin Kind, Jugend, Familie
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