Rockabillies – Rock ’n‘ Roller – Psychobillies

rockabillies-rocknroller-psychobilliesSusanne El-Nawab:
Rockabillies – Rock’n’Roller – Psychobillies
Portrait einer Subkultur

„Eigentlich hab ich jeden Tag nur meinen RocknRoll im Kopf.“
Ein spannender Bericht über eine Subkultur zwischen gestern und heute, zwischen Rebellion und Nostalgie, zwischen Sozialkritik und Stil-Liebhaberei. In dichten Portraits werden die befragten Szeneangehörigen mit ihren persönlichen Geschichten vorgestellt und kommen dabei ausführlich selbst zu Wort. Ausdrucksstarke Photographien dokumentieren die Ästhetik der Szenen.

Wer sind die Tollen-Leute?
Sie sind in den 50ern hängen geblieben, haben einen Modefimmel und brauchen einen Kontrabass: die Rockabillys. Eine ethnologische Studie räumt jetzt mit einigen Vorurteilen auf– und ist sehr lesbar dazu.

Um gleich ein paar mögliche Missverständnisse auszuräumen: Nein, dieses Buch ist nicht nur für Tollenträger interessant, und auch wenn es ein bisschen so aussieht. Es ist keins dieser zahllosen Hochglanz-Fanzines, in denen Fans Fans bestätigen, dass es allen Grund gibt, ein Fan von X oder Y zu sein. Rockabillies– RocknRoller– Psychobillies. Porträt einer Subkultur von Susanne El-Nawab ist eine ethnologische Studie über die Anhänger einer Musikrichtung, die in der Geschichte der Popkultur eine, gelinde gesagt, ziemlich zentrale Rolle einnimmt. Ohne Übertreibung lässt sich behaupten, dass Anfang der 50er Jahre, kurz vor Elvis, lange vor den Beatles, mit dem Rockabilly all das erfunden wurde, was wir heute unter Popkultur verstehen. Das verleiht den Leuten, die dieser Ära noch heute anhängen, einen gewissen Sonderstatus. Sie können mit Recht behaupten, nicht irgendeinem beliebigen Retro-Trend anheim gefallen zu sein: Sie huldigen immerhin dem Urknall der Popmusik.
Es gibt auch heute noch Menschen, die sich und ihr Umfeld konsequent so gestalten, als schrieben wir für alle Ewigkeit das Jahr 1955. Aber wieso machen die das? Die nahe liegenden Annahmen lauten: Sehnsucht nach der vermeintlich heilen Welt der 50er Jahre, Flucht aus der komplexen Gegenwart in die Idylle, naiver Amerikanismus, dazu noch ein kleiner Modefimmel. Dabei könnte man es bewenden lassen. Was auch ganz im Sinne vieler wäre, die in diesem Buch beleuchtet werden: „Je weniger die Leute über uns wissen, desto besser ist es für uns.“ Dieses Zitat eines Rockabillys stellt die Autorin ihrem Vorwort voran, und es trifft genau den Punkt, der dieses Buch so interessant macht.
Susanne El-Nawab belässt es nicht dabei. Sie lässt sich weder von verschwiegenen Poseuren abwimmeln, noch von deren Äußerlichkeiten in die Irre führen. Stattdessen hat sie in jahrelangen Feldforschungen und unzähligen Interviews die Ansichten und Antriebe von jungen und nicht mehr ganz so jungen RocknRollern in Deutschland erkundet. Sie hat ihnen offen und aufmerksam zugehört, ohne den kritischen Abstand aufzugeben.
Nach der Lektüre dieser Studie sind ein paar Vorurteile über Retro-Wellen und Jugendkulturen dahin. An ihre Stelle treten ein paar hübsche Paradoxien: Das seltsame Nebeneinander von extremer Selbstdarstellung und ebenso extremer Abschottung im Kern dieser Szene die Vielfalt der Stile und Haltungen gleich jenseits des gemeinsamen Nenners, nämlich der Begeisterung für „die Fifties“, die bei näherer Betrachtung gar keine Begeisterung für „die Fifties“ ist, sondern eher Bewunderung für die Leute, die im Laufe der Fifties gegen die Fifties rebelliert haben. In deren Sinne man jetzt auch rebelliert, nur gegen etwas ganz anderes. Und so weiter.
Ach ja, die Musik spielt auch eine Rolle. Rockabilly ist die Bezeichnung– oder auch Projektionsfläche– für eine frühe Spielart des RocknRoll, deren goldene Ära so etwa von 1954 bis 1956 dauerte– zwei, drei heftige Jahre, so wie beim Punk von 1976 bis 1978. Für Rockabilly-Puristen war alles danach nur noch kommerzieller Abklatsch, Elvis eingeschlossen. (Für die Nicht-Puristen in diesem Kulturkreis ist Elvis natürlich der Gottkönig.) Die musikalischen Grenzen zum RocknRoll sind fließend, Rockabilly klingt tendenziell schlanker, ländlicher, eckiger, zickiger, man könnte auch sagen: weißer als der klassische RocknRoll von Little Richard oder Chuck Berry. Sein besonderes Kennzeichen ist der Kontrabass. Kaum eine Rockabilly-Band hat sich je ohne auf die Bühne gewagt (schon gar nicht aufs Plattencover). Das Wort Rockabilly setzt sich zusammen aus dem einst verruchten Slang-Begriff RocknRoll einerseits und andererseits Hillbilly, einer Bezeichnung für amerikanische Hinterweltler. El-Nawabs Buch ist zu entnehmen, dass sich „Rockabilly“ als Name des Genres erst im Zuge einer ersten Wiederbelebung in den 70er Jahren durchsetzte und sich vorher nur in diversen Songs angedeutet hatte. So 1956 im Rock Billy Boogie einer Band namens, ausgerechnet, The RocknRoll Trio.
Susanne El-Nawab skizziert die Abfolge diverser Revivals und die stilistische Ausdifferenzierung in durchgeknallte Sub-Genres wie Psychobilly, Shockabilly und Punkabilly, welche die gute alte Hillbilly-Musik um Horror und Trash bereicherten (sowie um auffällige Tätowierungen und Haartrachten). Bands wie The Cramps oder The Meteors machten sie in den 80er Jahren populär, diese Szene ist auch heute noch (oder wieder?) sehr aktiv, während die traditionellere Rock`n`Roll-Szene älter und kleiner zu werden scheint. El-Nawab nimmt besonders die Rockabilly-Anhänger in Hamburg, Hannover und Berlin unter die Lupe, liefert aber keine genauenAngaben über deren Anzahl– mehrere Tausend sollen es in Deutschland sein.
Aus den musikalischen Differenzen, den Grabenkriegen der RocknRoll-Szene, hält sie sich ausdrücklich und wohlweislich heraus. Ihr geht es vor allem um das Lebensgefühl in diesem Kulturkreis, und zu dem gehören musiksüchtige Plattensammler ebenso wie Designfreunde, die die zu ihren Barhockern passende Musik kaufen. An Haltungen und Einstellungen ist, wie die Interviews zeigen, so ziemlich alles vertreten, was man sich bei 20- bis 40-Jährigen vorstellen kann. Die Bandbreite reicht von feiner Selbstironie bis hin zum reaktionären Machismo, von Konsumfetischismus bis Konsumverweigerung, von Protest bis Anpassung, von Nostalgie bis Abgeklärtheit. Und manchmal findet sich alles auf einmal in einer Person.
So interessant wie das, was Susanne El-Nawab über die Menschen in der gegenwärtigen RocknRoll-Szene zutage fördert, ist die Art, wie sie das geschafft hat. Ihre Erkenntnis über die Grenzen der Popschreiberei sollte man eigentlich jedem Buch über Popkultur voranstellen: „Jugendsubkulturen sind im Grunde etwas, das man nicht verstehen kann, wenn man zu alt ist und nicht selbst darin gelebt hat, und wenn man selbst darin gelebt hat, fehlt die Distanz.“
Susanne El-Nawab ist 1973 geboren und hat, wie sie in ihrem Vorwort schreibt, Erfahrung in verschiedenen jugendlichen Subkulturen gesammelt, auch unter Rocka- und Psychobillys, sie musste also nicht in ein ihr fremdes Milieu aufbrechen. Und als ethnografisch geschulte Sozialpsychologin wendet sie ihre Methoden als teilnehmende Beobachterin behutsam an. Sie bezeichnet sich als „Randperson, mit einem Bein drin, mit einem draußen“. Als Mittlerin zwischen den Welten ist es ihr gelungen, eine Szene zu erforschen, über die man als Außenstehender schon alles zu wissen glaubte. Ihr Buch zeigt, dass es sich gerade bei scheinbar eindeutigen Phänomenen lohnt, genau hinzugucken und: hinzuhören.
Paul Berg in: Die Zeit

„Wie kam es zu dieser Szene, was denken RocknRoller, Rockabillies, Psychobillies über ihre Kultur, gehören viele von ihnen zur rechten Szene, würden sie lieber in den fünfziger Jahren leben, sehen sich die Männer als Machos, fühlen sich die Frauen nur als vorzeigbares Anhängsel? Diesen und vielen anderen Fragen ist die Autorin Susanne El-Nawab nachgegangen. Sie hat dazu viele Interviews geführt und sich über einen langen Zeitraum in und am Rande unserer Musikkultur bewegt. Im ersten Teil schildert sie die musikalischen Wurzeln und berichtet über die Teddy Boys in England und die Halbstarken in Deutschland, ehe sie ausführlich auf die heutige Szene eingeht und verschiedene Stilelemente vorstellt. Wichtigster Bestandteil aber sind die Porträts, die aufgrund der Interviews entstanden sind. Hier finden sich auch die Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen, sie geben einen guten Einblick in das Selbstverständnis der Rockabillies. Eine interessante Arbeit, sehr lesenswert und endlich mal ein Buch über unsere Szene.“
Heinz-Günther Hartig in: RocknRoll Musikmagazin

„Richtig spannend.“ Schädelspalter

„In der bundesrepublikanischen …ffentlichkeit werden (junge) Männer mit Elvis-Tolle und Lederkluft sowie deren weibliche Pendants, wenn überhaupt, nur als Exoten wahrgenommen. Im Vergleich zu anderen Jugendsubkulturen spielen die Die-Hard-Fans von RocknRoll und Rockabilly, mit einer bundesweiten Community um die 5 000, nur eine Nebenrolle. Dessen ungeachtet hat die hannoversche Sozialpsychologin, Fotografin und Künstlerin (siehe auch ihr Buch Skinheads– Ästhetik und Gewalt) sich dieser verzweigten Szene angenommen und von ihr eine aufschlussreiche, spannende Dokumentation erstellt. Sie zeichnet die Geschichte der Vorläufer als auch einzelner Richtungen nach, untersucht Szenezugang, Selbstinszenierung, politische Ausrichtung und das (männer-dominierte) Geschlechterverhältnis dazwischen immer wieder ausführliche Interviews mit typischen Repräsentanten der Szene.– Ein verdienstvolles Werk.“
Roland Schmitt, ekz-informationsdienst

„Nach ihrer Dissertation über Skinheads hat sich die Autorin in die Welt der Tollenträger begeben. Herausgekommen ist ein kurzweiliges, reichlich bebildertes Machwerk, authentisch geschildert und kompetent verpackt. Ein prägnantes Vorwort, stimmige, nicht zu lange Zitate, eine sinnvolle Strukturierung und genaue Recherche zeichnen die 181-seitige Lektüre aus.
Die Autorin bezieht ihre Informationen hauptsächlich von Interviews mit verschiedensten Leuten aus der Szene, denen sie bei den Gesprächen freien Lauf lässt, ohne eingrenzend zu wirken. Schon anhand ihrer Fragen wird klar, dass Frau El-Nawab eine gute Szenekenntnis besitzt, sich jedoch selbst als bewusste Grenzgängerin bezeichnet und so einen gelungenen Spagat zwischen Szene-Kungelei und übertriebener Distanz vollbringt. Auch die Themen Musik und Politik kommen nicht zu kurz, so dass das Werk nie an der Oberfläche der Materie kleben bleibt, sondern stets in neue, kleine Themenbereiche einzutauchen vermag. Mich hat das Buch erst mal veranlasst, ne alte Cramps-CD einzulegen.“
Plastic Bomb

„Erstmal vorneweg: Nein, das Buch von Susanne El-Nawab ist kein Fanzine und somit auch keine Publikation aus der Szene für die Szene. Es ist eine wissenschaftliche Untersuchung über Rockabillies, Rock`n`Roller und Psychobillies. Es gibt sicher einige von euch, die schon im Vorhinein abwinken und keinen Bock auf so was haben. Mag sein. Doch auch das sei hier schon einmal verraten: Denen entgeht etwas. Das ist keine trockene Abhandlung über eine der schönsten Subkulturen der Welt. Man merkt der Sozialpsychologin, Soziologin, Fotografin und Künstlerin El-Nawab an, dass sie selbst ein Nahverhältnis zu verschiedenen Jugendkulturen hat. Ihre Dissertation verfasste sie über Skinheads, Rockabillies und Gothics. Im vorliegenden Band taucht sie ein in die Welt des RocknRoll und seiner wilden Bastardkinder.
Susanne El-Nawab weiß, wovon sie schreibt. Sie versteht sich bewusst nicht als Teil einer Subkultur, sondern als Randperson, mit einem Bein drin, mit einem draußen, was ein spannendes Mischungsverhältnis aus Distanz und Nähe schafft. Als Feldforscherin und teilnehmende Beobachterin hat sie jahrelang am Szeneleben teilgenommen, Konzerte und Partys besucht, Kontakte geknüpft und Interviews geführt.
Rockabillies– Rock`n`Roller– Psychobillies ist zweigliedrig aufgebaut. Erst folgt ein thematisches Kapitel, danach ein Kapitel mit Portraits von Leuten aus der Szene mit ausführlichen Zitaten. Niemand wird dabei über einen Kamm geschert, sondern die verschiedenen Teilsubkulturen und die einzelnen Portraitierten kommen selbst ausführlich zu Wort. Alle haben die Möglichkeit, sich und ihre Ansichten zu dokumentieren– und sie werden gehört. Im ersten thematischen Teil beschreibt El-Nawab die historische und musikalische Entwicklung des RocknRoll von den Teds über die Halbstarken und Rockabillys bis hin zum Psychobilly und deren jeweiliges Selbstverständnis. Ein zweiter Teil widmet sich dem Rockabilly-Stil, ein anderer dem Thema Rockabillies und Politik. Danach folgt ein Kapitel über das Geschlechterverhältnis und die Geschlechterrollen in dieser Subkultur. Das letzte Kapitel vor dem Epilog behandelt Psychobilly.
Rockabillies– Rock` n` Roller– Psychobillies ist unterhaltsam geschrieben, macht Spaß zu lesen und ist sehr informativ. Durch die vielen Abbildungen, die zahlreichen Zitate und das übersichtliche Layout kommt erst gar nicht das Gefühl einer faden wissenschaftlichen Abhandlung auf. Für alle, die mehr wissen und in der eigenen oder einer fremden Subkultur in die Tiefe gehen wollen, ist Susanne El-Nawabs Buch eine Empfehlung.“
Igor Eberhard in: Moloko Plus

Das Buch ist online im Shop erhältlich.

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