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„Irgendwie spürte ich immer eine gewisse Traurigkeit in mir, auch wenn ich lachte.“

Interview mit Mesut L.

In seinem autobiografischen Buch „Wedding 65, dritter Hinterhof“ erzählt der Sozialarbeiter und Breakdancer Mesut L. seine bewegende Lebensgeschichte. Wir haben im Interview über seine Beweggründe gesprochen.

Hirnkost: Erzählst du uns in ein paar Sätzen, wer Mesut L. ist?

Mesut. L.: Mesut L. ist geboren und aufgewachsen in Berlin-Wedding, ist Breakdancer der ersten Stunde und Deutscher Meister mit den Wedding Boys. Mit den Flying Steps war ich mehrfacher Weltmeister, habe bei diversen Musikproduktionen und Filmen mitgewirkt und bin Gründungsmitglied von KiezBoom e. V.

Woher kam die Idee, deine eigene Lebensgeschichte zu Papier zu bringen und in Form eines Buches zu veröffentlichen?

Ich wollte meine Gedanken und Gefühle ausdrücken, verschiedene Menschen erreichen, sie aufklären und in der Lebensphase abholen, in der sie sich gerade befinden. Ich möchte ihnen die unterschiedlichen Wege und Möglichkeiten aufzeigen, die auch ein Leben mit suboptimalen Startbedingungen bereithält. Und ich wollte zeigen, wie wichtig es ist, dankbar für das zu sein, was man hat. Und vielleicht auch den einen oder die andere motivieren, selbst ein Buch zu schreiben.

Du hast miterlebt, wie Berlin vor dem Mauerfall war. Wie war es für dich als Kind mit Migrationshintergrund in dieser geteilten Stadt aufzuwachsen?

Man kann sich ja die Umstände nicht aussuchen, in die man hineingeboren wird. Für mich war es eine aufregende und abenteuerliche Kindheit. Aber auch eine, die von Armut geprägt war. Ich konnte es kaum erwarten, erwachsen zu werden. Und irgendwie spürte ich immer eine gewisse Traurigkeit in mir, auch wenn ich lachte.

Mesut L.
Mesut L. | (c) Maximilian Gödecke

Das Tanzen, insbesondere der Breakdance, spielt eine wichtige Rolle in deinem Leben. Immerhin warst du Mitbegründer der Flying Steps. Wie bist du eigentlich zum Tanzen gekommen?

Da es damals in den 80ern weder Deutschrap noch das Internet gab (und wir kein Westfernsehen hatten), beschränkte sich der prägende Einfluss vor allem auf Michael Jackson, den Film Beat Street und natürlich die Straße, die Kids im Kietz. Ich selber habe mir alles durch hartes Training und eine positive Einstellung selbst beigebracht, auf Kartons, die wir einfach irgendwo draußen ausgelegt haben.

In unterschiedlichen Projekten, wie den Flying Steps oder auch KiezBoom e. V. hast du dich als Sozialarbeiter für Jugendliche eingesetzt, auch um sie von der Straße weg zu holen und von der Gewalt. Was hat dich motiviert, dich in diesem Bereich zu engagieren?

Alles wiederholt sich. Und ich wollte beim Elend und bei dem täglichen Überlebenskampf der Menschen ansetzen, die Unterstützung am nötigsten haben. Ich wollte Vorbild sein, sie motivieren, ihre Fähigkeiten und Talente zu entdecken und die Hoffnung nicht aufzugeben. Man muss an seine Träume glauben, dann kann man sie auch umsetzen.

In deine Wedding 65, dritter Hinterhof wirst du als „Überlebender mehrerer Schicksalsschläge“ beschrieben. Verrätst du uns deinen prägendsten Schicksalsschlag? Aber auch deinen größten persönlichen Erfolg?

Der prägendste Schicksalsschlag war wohl, bei 120 km/h auf der Autobahn einen Unfall mit einem Psycho-Shuttle-Fahrer zu überleben, wobei sich der Wagen mehrfach überschlagen hat.

Eines meiner schönsten Erlebnisse war, nochmals Vater von der bezaubernden kleinen Nisa zu werden. Gott hat mir die Gelegenheit gegeben, diese Prüfung mit aller Liebe zu meistern. Und natürlich bin ich genauso stolz und dankbar für meine ältere Tochter, die gerade ihre MSA-Prüfung mit einer eins bestanden hat.

Verrätst du uns, an welchen Projekten du momentan arbeitest?

Ich baue gerade eine urbane Marke auf, eine echte Straßenkollektion von wedding65, ganz transparent. Sie soll den Lifestyle des Hip Hops und Breakdance cool und tragbar machen, gewissermaßen etablieren, damit man nicht länger aufgrund der Klamotte in die kriminelle Schublade gesteckt wird. Durch die Erlöse aus wedding65 werden andere Projekte unterstützt, in denen Jugendliche gefördert und gefordert werden, auch die Aktion „Bleib sauber“. Außerdem entsteht gerade noch ein eigenes Musiklabel, das eine Talentschmiede für Nachwuchskünstler werden soll.

Wir stellen Ihnen dieses Interview zum Abdruck gern zu Verfügung. Bitte senden Sie uns aber ein Beleg zu.

Mesut L.
Wedding 65, dritter Hinterhof

18 Euro | 152 Seiten | Hardcover | Autobiografie

ISBN
print: 978-3-948675-90-5
epub: 978-3-948675-91-2
pdf: 978-3-948675-92-9

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